uli_sigg

Dr. Uli Sigg

Ehemaliger Schweizer Botschafter VR China,
Nordkorea und Mongolei, Mäzen und Kunstsammler

Uli Sigg gilt als Asienkenner schlechthin. Bereits 1977 war er für Schindler in China tätig und war verantwortlich für das erste Joint Venture zwischen einem westlichen Unternehmen und einem chinesischen Staatsbetrieb.

Zwi­schen 1995 und 1998 amtier­te Sigg als Schwei­zer Botschaf­ter in China und Nordkorea und war Gründungs­präsident der Wirt­schafts­kam­mer Schweiz-China.

Als Kunstliebhaber gilt die Sigg Collection als die weltweit grösste und bedeutendste Sammlung chinesischer Gegenwartskunst. Die Sammlung hat der Mäzen dem neu eröffneten Museum M+ in Hongkong geschenkt, für welches er auch als Co-Kurator tätig war.

«Wir müssen mitdefinieren, in welcher Weise wir mit China verkehren wollen, aber es ist müssig zu glauben, wir könnten das Schicksal der Volksrepublik China massgeblich verändern.»

Unser Dilemma mit der Volksrepublik China: Eine Mehrheit scheint aus westlicher Sicht nicht zu wollen, was sie wollen sollte.

Zunächst eine Analyse, die sich auf die Basis von Daten zweier ausländischer Erhebungen stützt, auch anekdotisch eingefärbt sein mag, aber wohl die Stimmung adäquat wiedergibt: Eine Mehrheit – wie umfänglich auch immer – hält die Führung durch die Kommunistische Partei CPC mit Präsident Xi an der Spitze für die derzeit geeignetste Regierungsform. Sie sieht die Partei – durch Zuschreibung des präzedenzlosen wirtschaftlichen Aufstiegs der letzten 40 Jahre, der mittlerweile errungenen hegemonialen Macht in Ost- und Südostasien und des wachsenden Respekts, wenn nicht gar Furcht, der internationalen Staatengemeinschaft der Volksrepublik gegenüber – als zur Führung in jeder Hinsicht legitimiert. Und: 73% der Bevölkerung sagen, dass ihr Land demokratisch sei – in den USA sind das nur 49%. Nur 13% glauben, dass Ihre Regierung lediglich einer Minderheit diene – in der Schweiz sind dies 24%. Nun ist der Demokratiebegriff zwar mit dem unsern nicht identisch: Der Volkswille wird nicht an der Urne ermittelt, sondern durch die Partei als “Massenlinie” in einer intensiven Interaktion mit dem Staatsvolk festgelegt – so behauptet es die sino-marxistische Doktrin.

Diese Mehrheit glaubt weiter, dass die westlichen Demokratien infolge systemimmanenter Schwächen im Niedergang sind. Aus ihrer Sicht sind dies politische Polarisierung und oft gar Handlungsunfähigkeit der parlamentarischen Systeme mit als chaotisch empfundenen Entscheidungsprozessen, die kurzfristigen Planungshorizonte, das als hinderlich wahrgenommene Prinzip der Gewaltenteilung und ferner mangelnde Kontrolle über die öffentlichen und sozialen Medien. Sie halten die Unterordnung des Individuums unter die Interessen des Staates mit einer entsprechend unterschiedlichen Gestaltung der Menschenrechte zu der unsrigen für angemessen.

Dass dem so ist, ist die Resultante zunächst einer faktenbasierten Erfolgsstory, von Prägungen durch chinesische Tradition und Kultur und dann von einem sehr selektiven Narrativ der Parteiführung zur jüngeren Geschichte, welche die Deutung der Vergangenheit und der Gegenwart sehr eng führt mit ihrer ausschliesslichen Kontrolle über die veröffentlichte Meinung. Ob ihr die Eliten im selben Mass folgen wie die breite Bevölkerung, lässt sich indes angesichts der verordneten Konformität nicht ermessen.

Will heissen, dass wir es mit einem autoritären Staat zu tun haben, dessen Regime sich auf eine Mehrheit stützen kann.

Dr. Uli Sigg für das Europa Forum Luzern, Juli 2021.

Im Gespräch mit Uli Sigg

Dr. Uli Sigg

Ehemaliger Schweizer Botschafter VR China, Nordkorea und Mongolei, Mäzen und Kunstsammler

Uli Sigg gilt als Asienkenner schlechthin. Bereits 1977 war er für Schindler in China tätig und war verantwortlich für das erste Joint Venture zwischen einem westlichen Unternehmen und einem chinesischen Staatsbetrieb.

Zwi­schen 1995 und 1998 amtier­te Sigg als Schwei­zer Botschaf­ter in China und Nordkorea und war Gründungs­präsident der Wirt­schafts­kam­mer Schweiz-China.

Als Kunstliebhaber gilt die Sigg Collection als die weltweit grösste und bedeutendste Sammlung chinesischer Gegenwartskunst. Die Sammlung hat der Mäzen dem neu eröffneten Museum M+ in Hongkong geschenkt, für welches er auch als Co-Kurator tätig war.

«Wir müssen mitdefinieren, in welcher Weise wir mit China verkehren wollen, aber es ist müssig zu glauben, wir könnten das Schicksal der Volksrepublik China massgeblich verändern.»

Unser Dilemma mit der Volksrepublik China: Eine Mehrheit scheint aus westlicher Sicht nicht zu wollen, was sie wollen sollte.

Zunächst eine Analyse, die sich auf die Basis von Daten zweier ausländischer Erhebungen stützt, auch anekdotisch eingefärbt sein mag, aber wohl die Stimmung adäquat wiedergibt: Eine Mehrheit – wie umfänglich auch immer – hält die Führung durch die Kommunistische Partei CPC mit Präsident Xi an der Spitze für die derzeit geeignetste Regierungsform. Sie sieht die Partei – durch Zuschreibung des präzedenzlosen wirtschaftlichen Aufstiegs der letzten 40 Jahre, der mittlerweile errungenen hegemonialen Macht in Ost- und Südostasien und des wachsenden Respekts, wenn nicht gar Furcht, der internationalen Staatengemeinschaft der Volksrepublik gegenüber – als zur Führung in jeder Hinsicht legitimiert. Und: 73% der Bevölkerung sagen, dass ihr Land demokratisch sei – in den USA sind das nur 49%. Nur 13% glauben, dass Ihre Regierung lediglich einer Minderheit diene – in der Schweiz sind dies 24%. Nun ist der Demokratiebegriff zwar mit dem unsern nicht identisch: Der Volkswille wird nicht an der Urne ermittelt, sondern durch die Partei als “Massenlinie” in einer intensiven Interaktion mit dem Staatsvolk festgelegt – so behauptet es die sino-marxistische Doktrin.

Diese Mehrheit glaubt weiter, dass die westlichen Demokratien infolge systemimmanenter Schwächen im Niedergang sind. Aus ihrer Sicht sind dies politische Polarisierung und oft gar Handlungsunfähigkeit der parlamentarischen Systeme mit als chaotisch empfundenen Entscheidungsprozessen, die kurzfristigen Planungshorizonte, das als hinderlich wahrgenommene Prinzip der Gewaltenteilung und ferner mangelnde Kontrolle über die öffentlichen und sozialen Medien. Sie halten die Unterordnung des Individuums unter die Interessen des Staates mit einer entsprechend unterschiedlichen Gestaltung der Menschenrechte zu der unsrigen für angemessen.

Dass dem so ist, ist die Resultante zunächst einer faktenbasierten Erfolgsstory, von Prägungen durch chinesische Tradition und Kultur und dann von einem sehr selektiven Narrativ der Parteiführung zur jüngeren Geschichte, welche die Deutung der Vergangenheit und der Gegenwart sehr eng führt mit ihrer ausschliesslichen Kontrolle über die veröffentlichte Meinung. Ob ihr die Eliten im selben Mass folgen wie die breite Bevölkerung, lässt sich indes angesichts der verordneten Konformität nicht ermessen.

Will heissen, dass wir es mit einem autoritären Staat zu tun haben, dessen Regime sich auf eine Mehrheit stützen kann.

Dr. Uli Sigg für das Europa Forum Luzern, Juli 2021.

Im Gespräch mit Uli Sigg

Impulsgeber:innen des Europa Forum Luzern

Als Beitrag zum öffentlichen Diskurs wählt das Europa Forum jährlich 25 inspirierende Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Gesellschaft und der Generation Zukunft zu Impulsgeber:innen und würdigt damit Menschen, die für die Schweiz oder Europa Besonderes leisten und mit ihren Leistungen, Visionen und Ideen wertvolle Impulse zu geben vermögen.

Die Impulsgeber:innen teilen mit uns ihre Denkanstösse und Empfehlungen zum jeweiligen Jahresthema in Form eines Meinungsbeitrages. Bei diesen Beiträgen handelt es sich um eine Sammlung von bewusst kurz gehaltenen Antworten auf eine der nachfolgenden Fragen:
1. Was müssen wir im Zusammenhang mit dem Erstarken Chinas bereits heute anpacken?
2. Welche Chancen bieten sich? Oder anders gefragt: Was stimmt Sie optimistisch?
3. Welche Herausforderungen stellen sich uns? Worüber sollten wir uns Gedanken machen?

Das «Compendium», welches nach dem Annual Meeting der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird, bietet eine umfangreiche Sammlung aller Impulse und Beiträge. Die Synthese aller Aktivitäten bildet das «Impulspapier» und ist das Manifest zuhanden des Bundesrates sowie weiterer relevanter Gremien und Stakeholder für die Umsetzung der Erkenntnisse.